untitled-Newsletter 09

Nov 01, 2024 1:01 pm


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Hallo werte Leserschaft,


plötzlich ist der Monat zu Ende und der November ist da. Viel ist passiert in den letzten Wochen, das Datum rückte dem Monatsende immer näher und doch hat es mich überrascht. Die Zeitumstellung am letzten Wochenende hat ihr übriges getan und meinen Schlafrhythmus so durcheinander gebracht, wie es sonst nur die Umstellung von Winter- auf Sommerzeit schafft. Wie ist es euch ergangen?


Vielen Dank für eure Antworten, Anregungen und Ergänzungen zum letzten Newsletter! Darüber habe ich mich sehr gefreut! Einige Antworten habe ich noch offen, aber seid euch sicher: Ihr seid nicht vergessen!


Fragmente

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Beim letzten Zine-Tausch von @zines.cool war ich wieder mit einer neuen Ausgabe aus meiner Mini-Zine-Reihe untitled vertreten: untitled06 (Blick ins Zine). Die Innenseite der Zines nutze ich immer als Fläche für experimentelle Illustrationen. Dieses mal habe ich die Fläche für ein Poster genutzt: Eine digitale Collage, inspiriert von Overseers Heligoland (Spotify, YouTube). Und weil mir das Ergebnis so gut gefällt, habe ich davon eine kleine Serie als richtige Poster auf A2 drucken lassen (Instagram).


Wenn dir das Motiv auch gefällt und du davon gerne ein Poster haben möchtest, antworte mir einfach auf diese E-Mail. Eine Handvoll Poster gibt es noch und ich überlasse sie gerne kostenlos, wenn die Versandkosten übernommen werden.


Vor gut 1,5 Jahren hat Jenni aka. @zines.cool mich mit der Begeisterung für Zines angesteckt und das war für mich ein wahrer Kreativitätsbooster: Zines sind für mich der Rahmen, nachdem ich lange gesucht habe: Kleine, in sich geschlossene Werke, in denen man sich ausprobieren kann – egal ob inhaltlich oder gestalterisch. Daraus sind viele tolle Dinge entstanden, die ich schon lange machen wollte, wie u. a. dieser Newsletter.

Wenn ihr auch nach einem Rahmen sucht, um euch kreativ auszuprobieren, dann kann ich euch Zines als Einstieg nur empfehlen – am Besten zu einem Zine-Tausch wie von @zinetausch.cool aka. @zines.cool (man munkelt, im nächsten Jahr geht die nächste Runde los), dann bekommt man für sein Zine direkt eine Handvoll inspirierender Zines zurück. Für den Einstieg hat Jenni diesen Monat auch ein super Tutorial-Video gedreht und direkt noch ein Video mit Inspiration nachgelegt, mit Zines von der Buchmesse Between Books.


Dass Zines aber nicht nur Unterhaltung sind, zeigt die Arbeit von Annie, die Zines als Lernmethode für ihre Studierenden im Projektseminar zur transdisziplinären Stadtforschung anwendet.


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Sehr erschreckend fand ich letzte Woche die Meldung, dass die gesichert rechtsextreme AfD in Sachsen-Anhalt in einem Antrag das Bauhaus als »Irrweg der Moderne« bezeichnete (SZ, Mitteldeutsche Zeitung). Die SZ schreibt dazu:


Unter dem Titel „Irrweg der Moderne“ ist in dem Antrag die Rede von historischen Bausünden und fragwürdigen Werten. Die pauschale Reduktion auf das Funktionale könne „als Entfremdung des Menschen von seiner Umwelt gewertet werden“. Der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Landesverband beklagt weiter eine Nähe der Bauhaus-Bewegung zum Kommunismus und stellt in dem Antrag die Frage, „inwieweit eine solche Ideologisierung von Kunst und Architektur langfristig negative gesellschaftliche Auswirkungen hatte und weiterhin haben könnte“.


Rhetorisch rückt die AfD hier für mich schon sehr nah an den NSDAP-Sprech von »entarteter Kunst«. Und von hier aus ist es auch nicht mehr weit zu »Bildersturm« und Bücherverbrennung.


Es muss einem freilich nicht alles gefallen, was das Bauhaus produziert hat, aber die Wirkung, die das Bauhaus im 20. Jh. auf Architektur, Kunst, Design und Kultur hatte, muss anerkannt und ihre Werke erhalten werden. Dass die AfD unredlich argumentiert, wenn sie von einer »einseitigen Glorifizierung« zum 100. Jubiläum fabuliert, sollte nicht verwundern, sei hier noch einmal ausdrücklich betont: Sie ignoriert den kritischen, wissenschaftlichen Diskurs und aktuelle Forschung, wie etwa im Buch »Bauhaus und Nationalsozialismus«, indem es auch um die Nähe einiger Protagonist:innen des Bauhauses zum Nationalsozialismus geht.


An dieser Stelle möchte ich noch einmal die Artikel aus der dérive Ausgabe 96 zu Rechtsextremismus und Architektur empfehlen: 1. Editorial, 2. Strategien einer Normalisierung des Rechtsextremismus und 3. Die Einstecktuchisierung verrohter Bürgerlichkeit.


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Apropos »konservative« Architektur:


Im Beitrag »Schön oder hässlich: Wenn Architektur polarisiert« diskutiert arte, in wie weit Architektur irritieren darf oder wie »schön« sie sein muss und ob das »Hässliche« nicht auch seinen Reiz und seine Berechtigung hat.


Wenn ich Bilder von amerikanischen Vorstädten (aka. Suburbs) sehe, dann habe ich mich lange Zeit gefragt, warum die amerikanischen Einfamilienhäuser alle noch immer diesen gleichen »historistischen« Präriehaus-Stil haben. Diese Frage hat mir nun endlich Stewart Hicks mit seinem Video »The Absurd Superficiality Of Suburban Homes« beantwortet. Er zeigt auf, welche Psychologie hinter diesem monotonem Baustil steckt, wie Fake er ist und wie viel Unmengen von Plastik verbaut werden.


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Jan Böhmermann hat vor ein paar Wochen im ZDF Magazin Royale ein Stück gemacht, das veranschaulichen sollte, wie uns die Algorithmen der Social-Media-Newsfeeds beeinflussen, unsere Psyche verändern, unsere Aufmerksamkeitsspanne verkürzen: »Daddeln, Scrollen, Wischen – Gefangen im Netz«. Wir sind schon seit Jahren in einer Aufmerksamkeitsökonomie angekommen, in der diejenigen belohnt werden, die möglichst viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, mit Views, Playtime, Likes, Kommentaren etc. Und das funktioniert besonders gut mit negativen und polarisierenden Themen. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem diese Algorithmen der Aufmerksamkeitsökonomie das Asbest der sozialen Netzwerke geworden sind: Es ist ein unheimlich guter Werkstoff – er funktioniert und generiert guten Umsatz für die Tech-Konzerne – und wird deshalb derzeit überall verbaut, aber wir wissen mittlerweile auch, dass er uns und die demokratischen Gesellschaften langsam krank macht und zersetzt.


Wie kommen wir das wieder raus? Mittlerweile glaube ich, dass wir da nicht von allein wieder raus kommen: Die Technik ist zu lukrativ für die Tech-Konzerne wie Facebook/Meta, Google oder Twitter/X um daran irgendwas selbst zu ändern. Selbst aufstrebende Startups und Social-Networks werden toxisch für uns, wenn das Risikokapital ausgeht und ein Return-Of-Investment kommen muss. Ich denke, dass hier nur noch Gesetze helfen können, die die Technik wieder in geregelte Bahnen lenkt. Oder die Schwarmintelligenz verlässt die großen Plattformen zu Gunsten neuer Plattformen – aber das scheint mir unwahrscheinlich, dafür ist die Marktdominanz von Facebook, Instagram, YouTube und Co. immer noch zu groß.


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Ein Teil der (deutschen) Internet-Geschichte war die Streaming-Website Kino.to und später KinoX.to. Die ARD widmet sich in zwei Podcasts dieser spannenden Geschichte, wie Kino.to aufflog und zu KinoX.to wurde, warum die Website oft instabil war und wie das Geld verdient wurde: KINO.TO: Die verbotene Streamingrevolution und bei Wild Wild Web: Folge 1, Folge 2 – weitere Teile folgen wohl noch.


Passend dazu empfehle ich euch auch die erste Staffel von Wild Wild Web über Kim Dotcom und MegaUpload, die sich u. a. mit einer der Websites beschäftigt, die das, was Kino.to machte, überhaupt erst ermöglichte: Filehosting. Hier insbesondere Folge 3: Die Copyright-Kriege.



Randnotizen

  • Making Of … Theme Hospital: Theme Hospital war eines der ersten Wirtschaftssimulationen die ich gespielt habe und dessen absurder Humor mich mit prägte. Diese kurze Dokumentation erzählt die Geschichte, wie es das Spiel doch noch in den Verkauf schaffte.
  • How Reality TV Houses Are Build To Break People: Die Psychologie hinter der Architektur von (amerikanischen) Reality-TV-Gebäuden. Sie erinnern nicht umsonst an Jeremy Benthams Panopticon.
  • How Kawaii Manipulates Your Mind: Das Gegenteil von abweisendem Design und Beeinflussung durch negative Emotionen ist der japanische Stil des Kawaii – des überaus süßen. D Mind erklärt, wie dieser Stil in Japan äußerst erfolgreich eingesetzt wird und warum sogar das Militär darauf setzt.
  • The Peoples Graphic Design Archive: Ein crowed-sourcing Archiv, das versucht jede Art von Design-Artefakt virtuell zu erhalten – absoluter Stöber-Tipp! (via Rainer Klute)
  • Weird Web Oktober: Diese Oktober-Challenge ist zwar gerade rum, aber sie ist dennoch sehenswert, denn sie feiert die wilden, quirky Seiten im Web mit kleinen Aufgaben, die ganz unterschiedlich, aber immer sehr kreativ gelöst werden und die Möglichkeiten des Webs feiern. (via jenni.works Newsletter)


Zum Schluss noch ein paar Programm-Tipps:


  • queering the city veranstaltet am 07.11. im Rahmen der Wuppertaler Aktionswochen gegen patriarchale Gewalt eine Vernissage mit ihren Workshop-Ergebnissen zur geschlechtergerechter Stadtgestaltung samt einer Podiumsdiskussion im LOCH in Wuppertal. Infos bei Instagram.
  • Am 15.11. gibt es von queering the city auch wieder einen Stadtspaziergang gegen heteronormative und patriarchale Stadtgestaltung. Wenn ihr aus Wuppertal oder Umgebung kommt, geht mit! Es ist ein sehr erhellender Spaziergang, der aufzeigt, wie tief heteronormative und patriarchale Macht-Verhältnisse in den urbanen Raum zementiert sind. Infos bei Instagram.
  • Offene Kommunen.NRW lädt am 23.11. zu einem Barcamp unter dem Titel »Von der Ohnmacht zum Handeln – Wie wir vor Ort unsere Demokratie stärken können« in die Wuppertaler VHS ein. Ein Tipp für alle, die sich für Bürgerbeteiligung, Open Government, Open Data und Demokratie interessieren und sich in ihren Orten dafür einsetzen möchten.



Musik zum Ausgang

Über mein schwieriges Verhältnis zu Spotify schrieb ich vor einigen Monaten, diesen Monat spülte der Algorithmus mir jedoch mal was gutes auf die Startpage: Das Album HypNotixx von Notixx. Dubstep ist zwar der zum Meme gewordene Musik-Stil, aber dennoch spricht mich daran irgendetwas an. Und HypNotixx hat für mich tatsächlich eine hypnotische Wirkung, die mich im Sound-Bett in Aufgaben abtauchen lässt. Und deshalb landet aus dem Album ‌Step Up (Bandcamp, Spotify) auf der Spotify-Playlist zum untitled-Newsletter.


Nachwort

Beim Zusammenstellen dieses Newsletters habe ich festgestellt, dass ich diesen Monat doch sehr viel geschaut und gehört habe, während ich ehrenamtlich und privat an Websites gebastelt habe und dass die philosophischen und ökologischen Themen bei mir etwas zu kurz kamen, obwohl sich letztere derzeit aufdrängen. Der Architektur-Schwerpunkt ist derzeit meinem Interesse am ›Raum‹ geschuldet und wo Gemeinsamkeiten im analogen, gebauten und dem virtuellen Raum liegen. Insofern philosophisch, aber noch im Prozess. Wir werden sehen, wohin es führt.


Beste Grüße

Arne

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