Achtung: Ab jetzt wird legal gekifft!

Aug 05, 2024 8:05 am

Bubatz auf Rezept?

Gras von der Kasse?

A friend with weed's a friend indeed?


Die Ampel hat mit etwas Gehampel eine für Deutschland völlig unerwartete Gesetzesänderung durchgeboxt. Nach einigen Jahren Verkauf von Cannabis in Apothekenqualität mit dem etwas umständlichen Betäubungsmittelrezept wird nun etwas lockerer durch die Hose geatmet und es gibt Gras und verschiedene Extrakte jetzt mit ganz normalen Rezepten bei Deinem Apotheker um die Ecke.

In manchen Fällen zahlt das sogar die gesetzliche Krankenversicherung. Irrsinn? Längst überfällig? Die Meinungen der Ärzte (immerhin also der Leute, die die Rezepte ausstellen müssten) sind gespaltener als die Parteienlandschaft im US-Wahlkampf.

Ich habe die Legalisierung inzwischen mal genutzt und probiere mit großer Begeisterung Microdosing (also kleine Mengen Cannabis, sehr weit unter partyfähiger Wirkung). Nun kam aber im Ärzteblatt Schleswig-Holstein ein Artikel raus, der sehr die Regeln und ausgesprochen wenig die persönliche Verantwortung und Gesundheitskompetenz der Patienten betonte.


Zeit für meinen ersten Leserbrief, um mal ein bisschen Liebe zu verteilen! Akzeptiert am nächsten Tag. Letzten Monat veröffentlicht.


Und weil ich den Text wirklich sehr gerne mag, hier für Dich in ungekürzter Fassung. Ich bin gespannt, ob Du meinen Newsletter-Style oder den Weißkittel-Style bevorzugst!



Herr Prof. Kolenda bringt in seiner Einordnung zweifelsohne sehr wichtige und berechtigte Einwände an. Doch muss vielleicht nicht gleich das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. Die Erfahrung der plötzlichen Legalisierung einer vorher teils hart verfolgten Handlung hatten wir als Gesellschaft so noch nicht. Die Integration der Möglichkeiten ist eine große Herausforderung sowohl für potentielle Patienten als auch für deren Behandler und insgesamt für jeden, dessen Vorurteile gegen stumpfe Kiffer nun etwas gekitzelt werden.

Cannabis als Pflanzenmedizin hat eine dokumentierte Geschichte von mehr als 3500 Jahren. Im letzten Jahrhundert wurde Cannabis von Millionen Bundesbürgern trotz der drohenden Strafverfolgung unterschiedlich intensiv genutzt. Die geschätzte Jahresprävalenz ist immerhin 8,8 % der Bevölkerung von 15 bis 64 Jahre, innerhalb der letzten 30 Tage 4,3 % (Rauschert et al., 2023a). Da stellt sich doch die Frage, warum so viele Menschen in der Neuzeit solch ein strafrechtliches Risiko eingingen - und warum Cannabis schon seit der Urzeit für verschiedenste Beschwerden offensichtlich erfolgreich verwendet wurde. 

Neben dem berechtigten Bedürfnis nach Rausch (das wir übrigens bei Alkohol als völlig gerechtfertigt hinnehmen - die dramatische Zahl alkoholbedingter Todesfälle Jahr für Jahr billigend) ist wohl ein substanzieller Anteil der Selbstmedikation zuzuschreiben.

Dafür spricht auch die große Anzahl an Selbstzahler-Verschreibungen in den ersten Wochen nach Legalisierung. Möglicherweise sind das eben nicht Menschen, die sich nun endlich in Apothekenqualität zudröhnen wollen. Sondern Patienten, denen ihre Lebensqualität und Symptomlinderung mehr wert ist als entwürdigende und zeitintensive Debatten mit Sachbearbeitern der gesetzlichen Kassen. Natürlich sind auch Symptomkonstellationen in diese Selbstmedikationsbewegung gerutscht, für die es bereits andere pharmakologische Ansätze gibt. Man denke nur an Methylphenidat bei ADHS, ein Syndrom, das häufig gut auf niedrig dosiertes Cannabis anspricht. Die Nebenwirkungsliste von Methylphenidat aber lässt die Aufzählung der Cannabis-Nebenwirkungen aus den von Prof. Kolenda zitierten Studien schon gar nicht mehr so bedrohlich wirken. Natürlich ist dies derzeit noch ein off-label-use.

Aber off-label verschreiben wir auch gerne und viel, wenn wir als Behandler den Eindruck haben, es wäre für eben diesen uns gegenüber sitzenden Patienten eine geeignete Intervention. Anders als weithin wahrgenommen, hat die Evidenzbasierte Medizin (EBM) ja drei Säulen, die gleichberechtigt nebeneinander stehen und die Entscheidung für oder gegen eine Intervention stützen: Studien (mit unterschiedlichen Evidenzstufen bis hin zum RTC), die persönliche Erfahrung des Behandlers und die Werte und Erwartungen des Patienten (Sackett et al.).

Eine Fetischisierung von RCTs als einziger Weg zur richtigen ärztlichen Entscheidung ist daher weder so gewollt gewesen noch wird es der ärztlichen Heilkunst gerecht. 

Vielleicht sollten zur Annäherung erstmal die verschiedenen Konsummuster nicht in einen Topf geschmissen werden. Die Mengen, die für eine Symptomlinderung nötig sind, könnten gut mit „Microdosing“ beschrieben werden. Das ist vom Empfinden nicht vergleichbar mit einem erlebnisorientierten Mischkonsum eines ganzen Joints mit anderen psychoaktiven Substanzen (wie Alkohol oder Nikotin) im Party-Setting. Von diesem Hochdosis-Konsum aber geht die Gefahr drogeninduzierter Psychosen aus. Microdosing birgt diese Gefahr eher nicht. Es muss dabei die individuell richtige Menge titriert, aber auch die richtige Blüte gefunden werden.

Wem das zu schamanisch vorkommt, der sei erinnert an unser im Kern gleiches Vorgehen auch mit synthetischen Pharmaka. Auch die Therapie mit beispielsweise Betablockern ist keine Raketenwissenschaft. Es wird nach Wirkung titriert, man kennt so ein paar Einstiegsdosen, es wird letztlich beobachtet, wieviel von was dem Patienten am Besten hilft ohne größere Nebenwirkungen. 

Der konkreten Art und Sorte der verschreibbaren Blüten kommt große Bedeutung zu. Anders als bei synthetisierten THC-Derivaten kommt bei Cannabisblüten ein in der synthetischen Pharmakologie unbekannter Effekt zum Tragen, der aber in der Pflanzenpharmakologie und Ethnobotanik sehr wohl große Bedeutung hat. Das den eigentlichen Wirkstoff umgebende Gemisch an sekundären Pflanzenstoffen, die Entourage, führt zu einer stärker aktiven Wirkung der Leitsubstanz als diese in Reinform hätte. Dadurch kann das Wirkspektrum beispielsweise nicht mehr nur vorrangig dämpfend oder euphorisierend oder analgetisch sein, sondern auch entzündungshemmend oder appetitanregend oder anxiolytisch. Die Datenlage für den Entourage-Effekt ist noch spärlich, aber kann aufgrund ihrer Auswirkung auf den Therapieerfolg und auf die Verschreibungspraxis schwerlich ignoriert werden.


Was nun ansteht ist ein Lernprozess bei allen Beteiligten. Die naturromantische Euphorie über ein vermeintliches Panazeum darf gedämpft, die Skepsis vor dem Untergang des Abendlandes in den Drogenrausch darf relativiert werden.

Anders als bei Alkohol habe wir die historische Möglichkeit, für eine Substanz „von Anfang“ an einen bewussten Konsum zu kultivieren. Dazu gehört die enge und klar formulierte Indikation für adoleszente Patienten, ein sehr viel liberalerer Umgang in der Schmerz- und Palliativmedizin und eine Offenheit nicht nur für mögliche Anwendungsgebiete, sondern auch für die Eigenverantwortung der Patienten. 



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Achtung - meine Praxis ist eine reine Privatpraxis.


Es gibt hier Rezepte, und auch für Cannabis, aber es sind keine Kassenrezepte.

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