untitled-Newsletter 17
Jul 01, 2025 1:16 pm
Hallo werte Leserschaft,
Zeit ist ein absurdes Konstrukt – nein, eher: Zeit ist eine absurde Wahrnehmung. Zeit verläuft nur nach vorne, wir können sie nur in dieser Art begreifen. Aber wie sie für uns individuell verläuft, das ist komplett unterschiedlich und kann sich von Moment zu Moment verändern. Für mich verging der Juni zum einen langsam, es ist unheimlich viel passiert, aber gleichzeitig ist er auch schon wieder schnell verflogen.
Mit diesem Monat haben wir zudem die Schwelle zur Jahrhundertmitte überschritten: Wir sind nun näher am Jahr 2050 als am Jahr 2000. Auch etwas, das meine individuelle Zeit-Wahrnehmung herausfordert.
Fragmente
Auf Instagram begegnete mir eine kleine Spielerei, die nur in der Instagram-App auf dem Smartphone funktioniert und die die technischen Grenzen der App auslotet: Wenn man bei einer Bilder-Serie unten auf die Punkte drückt, gedrückt hält und nach rechts und links wischt, dann kann man die Bilder als Stop-Motion-Animationen laufen lassen.
Zuerst begegnete mir es bei einem Katzenbild-Account, dann bei dem von mir geschätzten Illustrator Davey Perkins (siehe untitled-Newsletter #12):
Ich mag solche »künstlerischen Interventionen«, die die Grenzen der Technik ausloten und mich beeindruckt die Kreativität durch die diese entdeckt werden. Sie sind nur leider unheimlich schwer archivierbar oder in Zukunft rekonstruierbar. Sie sind Kinder ihrer Zeit und existieren nur für eine kurze Zeit, bis der Rahmen, in dem sie existierten, sich verändert oder verschwindet. Besonders in digitalen Räumen der privat-öffentlichen Plattformen, wie Instagram, bei denen Funktionen der Willkür der Plattform-Eigentümer und deren Revenue-Streams abhängig sind.
Diese »Intervention« erinnerte mich an die geteilten Profilbilder, die man Anfang der 2010er Jahre bei Facebook einstellen konnte und die eigentlich dazu gedacht waren, verschiedene Bilder aus seinen Alben zu zeigen, aber schnell als eigene Kunstwerke oder Werbeflächen adaptiert wurden.
Wenn ihr noch solche »Spielereien« oder »künstlerischen Interventionen« kennt, immer her damit! Wir sollten eine Sammlung eröffnen – falls es sie nicht schon gibt?!
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Anfang des Monats las ich das Zine »Work In Progress« von Johannes Klingebiel über seine Erkenntnisse aus der Innovationsarbeit für die Süddeutsche Zeitung. Im Vorwort schreibt er:
Dieses Zine ist ein zugegebenerweise merkwürdiges Format. Es ist zu lang für einen Blog-Post, aber zu kurz für ein Buch.
Das Zine, das ich leider nur digital habe, ist ein 16 Seiten langes DIN A5-Booklet und ich empfinde das Format ganz und gar nicht als merkwürdig, sondern als ganz ausgezeichnet für eine derartige Zusammenfassung oder Projektpräsentation. Zines sind ein großartiges Format zum Experimentieren und um Ideen auszuloten. Zudem hat ein fertiges Zine einen Werk-Charakter, besonders wenn es auch noch gedruckt wird. Es ist in sich abgeschlossen, fertig, ein Werk. Nachträgliche Änderungen sind dann nur noch schwer möglich. Im Gegensatz zum digitalen Raum, wo beinahe immer nachträgliche Änderungen möglich sind (eine Ausnahme sind bspw. Newsletter wie dieser oder E-Mails generell: einmal verschickt sind keine Änderungen mehr möglich).
Am vorletzten Wochenende war ich auf der 1. Bochumer Zinebörse, die u. a. von Jenni aka. @zines.cool organisiert wurde und im Rahmen der bobiennale stattfand. Es war sehr schön mal einige der Menschen hinter den Zines zu treffen, die beim Zine-Tausch von @zines.cool aka. @zinetausch.cool mitmachen, viele inspirierende Zines zu sehen und Gespräche zu führen.
Dort hatte ich mein neues Mini-Zine über Spam-Mails aus meinem E-Mail-Postfach zum Tauschen dabei:
Bei Interesse an dem Zine, antwortet mir einfach auf diese E-Mail!
Man munkelt zudem, dass ein neuer Zine-Tausch von @zinetausch.cool kurz bevor steht. Diese Tausch-Aktionen sind wunderbare Gelegenheiten, mit dem Thema ›Zines‹ zu starten, sich mit dem Format vertraut zu machen und spannende Zines zu entdecken! Macht mit! Alle Infos kommen bei Instagram unter @zinetausch.cool.
Von den Organisatorinnen der Bochumer Zine-Tauschbörse gibt es zudem am 20. Juli den 1. Zine-Stammtisch NRW, ebenfalls in Bochum. Mehr Infos auf der Website.
Randnotizen
- 📽️ Patrick (H) Willems: Why Are Movies About Research So Addictive? In diesem cineastischem Video-Essay stellt sich Patrick H. Willems die Frage, warum Filme mit vielen Dokumenten und Recherchen so beliebt sind und wie das durchwühlen von meterhohen Aktenbergen filmisch zu einem spannenden Unterfangen wird.
- 🌐 Ruby Klover: Not Everything Is On The Internet: Dieser Blog-Post ist eine Erinnerung daran, dass nicht alles im Internet ist und dass der Spruch »Das Internet vergisst nichts« nicht ganz wahr ist. Besonders derzeit. (via jenni.works).
- 📽️ angieblah: how i made my indie website (and why you should make one too): Apropos: Dieses Video-Essay ist eine Homage und eine Motivation dafür, eine eigene Website im »Indie Web« zu betreiben: Die eigene Website, unabhängig von großen Plattformen; mit den eigenen Inhalten und so quirky, wie man es gerne möchte!
- 🌐 Anthony Hobday: A List Of Every Interaction Design Concept: Anthony Hobday hat eine beeindruckende Liste von Konzepten aus dem UI/UX-Design zusammengestellt. Einiges davon gilt nicht nur für Interaction-Design oder lässt sich auch auf andere gestalterische Bereiche übertragen. Darüber hinaus ist Anthonys Website eine wahre Fundgrube für UI/UX-Design!
- 🖨️ riiso: Mit diesem kleinen Online-Tool lassen sich Bilder in Riso-Druck-Optik umwandeln.
- 📽️ DamiLee: Why The Most Dangerous Border On Earth Needs A Wildlife Bridge: Die Architektin Dami Lee hat südkoreanische Wurzeln und präsentiert in diesem Video ihren Entwurf für eine Wildtier-Brücke über die DMZ zwischen Süd- und Nord-Korea. Das Video ist nicht nur ein Einblick in einen interessanten Entwurf, sondern auch eine kurze Einführung in die Geschichte und Kultur dieses gespaltenen Landes.
Musik zum Ausgang
Diesen Monat gab es keinen richtigen Song der mich durch den Monat oder über eine Zeit begleitet hat, aber dafür gingen mir immer wieder diese Textzeilen aus »Six Day War« von Colonel Bagshot (Spotify) durch den Kopf: »You never thought we'd go to war / After all the things we saw / It's April Fool's Day / Tomorrow never comes until it's too late« und deshalb landet der Song auf der Spotify-Playlist zum Newsletter.
Nachwort
Apropos Zeit: Diesen Monat habe ich endlich Haruki Murakamis »Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt« ausgelesen, worin Zeit bzw. individuelle Zeit und Zeit-Wahrnehmung auch eine wichtige Rolle spielen, mit einem interessanten Ansatz für die Unendlichkeit. Ich möchte nicht zu viel spoilern, deshalb belasse ich es vorerst dabei, aber ich hätte Redebedarf dazu.
Beste Grüße