🙄Instagram, ey #3

Jul 28, 2022 9:47 pm

Es ist spät, aber noch ist es Donnerstag - ich schaffe meinen Vorsatz also gerade noch so. Es geht heute um den "shift", während dem angeblich weiterhin Fotos supported werden. Genau. Instagram. Allgemeiner Tenor in etwa so: 🙄

Hallo ,

Als ich 2010 bei einer Tageszeitung ein Redaktionspraktikum machte, erklärte mir eine Redakteurin, wie miniklein die Aufmerksamkeitsspanne von Lesern sei, wie ich also zu schreiben habe und dass Print tot sei und ich mir einen anderen Job suchen solle. Als ich 2015 anfing in der ÖA zu arbeiten, wurde 1. Facebook totgesagt und 2. der Shift zu mehr Videocontent vorhergesagt, weil Nutzerinnen und Nutzer so eine minikleine Aufmerksamkeitsspanne haben, die lesen ja nicht mehr. Videos hat dort aber keine*r gemacht (außer ich, wie ich Sharepoint Erklärvideos gemacht habe *good old times*).


Heute bin ich mit einem Schriftsteller verheiratet und mache schlechte Lipsynch-Reels, weil Facebook irgendwie zu sterben scheint und schreibe mein Unbehagen darüber in einigermaßen langen Sätzen in einen Newsletter 👋 - Ich möchte dich aber bitten, , diese Email nicht auszudrucken, denn Print ist tot.


Das, sorry, Geseiere, erinnert mich einfach sehr an Goethes Vater. Der sagte zu seinem Nichtsnutz von Sohn, sprachlich gleiche das einer Verdummung der Menschheit, was sein Sohn da fabriziere (Ich habe gerade eine halbe Stunde Recherche abgebrochen, Quelle ist mein Germanistinnengehirn 😬).

Die Tiktokisierung von Instagram und ihre Rezeption reiht sich da ein. Dann unterstreichen das aber die Umsatzeinbußen bei Meta und heute wurde im Social Media Watchblog die Frage gestellt: Ist Social Media tot? (Aktuelle Ausgabe, Paywall)


Die Frage ist: Kann uns das egal sein?


Mir ist das nicht völlig egal. 


Denn wenn ich dazu berate, wie Content verteilt werden kann, kann ich zu Video-Content nicht viel beitragen. Vielleicht ändert sich das bald, ich bin ja grundsätzlich neugierig und probiere viel aus. Habe für mich selbst aber festgestellt, dass ich persönlich auch am liebsten dann Reels oder TikToks konsumiere, wenn ich sie witzig finde. Ich speichere mir irgendwelche Sounds ab und wenn ich ganz wild drauf bin, dann bastel ich ein paar ziemlich schlechte Lipsynchs mit für meinen schlappe 100 Follis Account überraschend großer Reichweite, die mir üb-ber-haupt nichts bringt. Das Engagement ist genauso beschissen wie für jeden liebevoll erstellten Karussell-Post. 

Alles, was kürzer als 15 Minuten ist und sich bewegt wird automatisch zum Reel. Aber ich selbst habe auch keine großartige Lust auf animierte Powerpoints in meinem Reel-Feed. Wäre es also besser, hätten meine Reels einen *Mehrwert*?


So what…


Mein Mann ist ein schönes Beispiel für einen Teil einer sehr kleine Bubble innerhalb der Bookstagrammer. Sein Literatur-Geschmack ist, sachte ausgedrückt: extrem spezifisch. Als ich ihm von der Reels-Dominanz erzählt hatte, wurde er richtig traurig und sagte: Dann geh ich. 

Das Ding ist: Ich glaube nicht, dass er es je gemerkt hätte oder merken würde, wenn ich ihm nicht jeden Tag die ein oder andere Social-Frikadelle ans Media-Knie quatschen würde. In seiner Bubble halten sie eben die Bücher nun unter die Kamera und bewegen sie hin und her, oder so - wenn es das ist, was gemacht werden muss, um gesehen zu werden. Sie bleiben wahrscheinlich einfach weiterhin in ihrer kleinen Bubble und gewöhnen sich irgendenwann an alle Umstellungen. That’s how the coockie crumbles. 


Wir ziehen vielleicht aus einer Nostalgie und Enttäuschung vorschnell Schlüsse daraus, was mit der Plattform passieren wird. Ich weiß nur, dass es mir persönlich gerade einfach gar keinen Spaß macht und ich weiß immer noch nicht, ob ich einfach nur alt und grumpy bin. 


Was nehmen wir daraus jetzt mit?


  1. Ich bin nicht die einzige, die bemerkt hat, dass Video-Content nicht zum ersten mal etwas zu wichtig eingestuft wurde und wir einfach abwarten sollten, was passiert.
  2. Wer Social Media als einen Teil und nicht als einziges Standbein seiner Online-Marketing-Strategie nutzt, hat meiner Meinung nach nichts zu befürchten. Distributionsplattformen mit unterschiedlichen Anforderungen können einer Sache nach wie vor dienlich sein oder nicht, wenn sich die Zielgruppe dort nicht mehr befindet.
  3. Ich stelle jetzt fest, dass mir Instagram nun wirklich keinen Spaß mehr macht, seitdem die neue Ansicht bei mir Einzug hielt. Alles ist schwarz und ich meine *literally* schwarz - ich warte trotzdem ab, was passiert und schau mir das an.
  4. Lasst uns Wetten abschließen, wie lange es dauert, bis irgendeinem Entscheider klar wird, dass sie dadurch nicht die Zukunft des Metaverse retten werden.
  5. Goethes Vater war kein Weiser alter Mann.
  6. Goethe selbst war abergläubisch.


Zitat der Woche

"Wenn sich die Sprüche widersprechen, ist's eine Tugend und kein Verbrechen. Du lernst doch nur von Blatt zu Blatt, daß jedes Ding zwei Seiten hat." Paul Heyse


Nächste Woche gibt es weniger Germanistinnen-Content, denn dann erzähle ich eine alte Pennälerinnen-Geschichte über community building: Wie ich mal eine Schulhof-Sekte gegründet hatte und Angst vor meiner Reichweite bekam.


👋 Bis nächsten Donnerstag


☮️Miriam☯️





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