Verlangen nach Shelby!

Feb 23, 2023 8:01 am

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Hallo ihr Lieben!

Verlangen nach Shelby ist jetzt erhältlich:

Herzliche Grüße, 

eure Violet.

Neue Release!

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Kapitel Eins

Shelby


Alles ist aus dem Ruder gelaufen. Ich weiß nicht einmal, wie ich es überhaupt geschafft habe, nach New York zu gelangen. Ich weiß nur, dass ich in ein Flugzeug gestiegen bin und meine Eltern mich vom Flughafen abgeholt haben, aber alles an dieser Reise von Houston hierher ist verschwommen. 

Als ich das letzte Mal mit meinen Eltern sprach, dachten sie, dass es Opa besser geht und waren hoffnungsvoll. Kurz darauf sagten sie mir, ich solle besser sofort kommen, denn er habe nicht mehr viel Zeit.

Bauchspeicheldrüsenkrebs sollte eigentlich nicht so schnell voranschreiten. Oder etwa doch? Nun ja, was an Krebs ist vorhersehbar oder gar fair? Ich dachte nur, uns bliebe noch mehr Zeit.

Anscheinend nicht...

Er sieht nicht mehr wie der starke Mann aus, mit dem ich aufgewachsen bin, wenn er jetzt in diesem Bett liegt und überall Schläuche angebracht sind. Sein Gesicht ist fahl und inzwischen kann er seine Augen kaum noch öffnen.

„Großvater ... ich bin’s, Shelby”, flüstere ich ihm zu und versuche, meine Stimme dabei ruhig zu halten.

„Shelby ... mein Lämmchen”, murmelt er mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.

Als er den Spitznamen benutzt, den er mir gab, als ich zwei Jahre alt war, muss ich mit den Tränen kämpfen. Ich beuge mich vor, um ihn zu umarmen, aber bin schockiert, wie wenig von ihm übrig ist. Das macht mich wütend! Und zwar Wütend auf Mama und Papa! Warum haben sie mir nicht früher gesagt, wie es um ihn steht?

Und wütend auf mich selbst, weil ich nicht früher gekommen bin. 

Ich bin wütend auf die ganze verdammte Welt und diese schreckliche Krankheit, von der ich weiß, dass sie mir meinen Opa wegnehmen wird. 

Trotzdem fange ich an zu reden, als ob alles in Ordnung wäre. Ich weiß nicht, was ich sonst tun soll, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Opa mich nicht weinen und verzweifeln sehen darf. Also rede ich über alles und nichts zugleich und höre nicht auf, ehe er wieder eingeschlafen ist.

Dann drehe ich mich um, verlasse das Zimmer und gehe weiter den Krankenhausflur entlang.

„Shelby, wo gehst du hin?” ruft Mom mir hinterher.

Ich drehe mich auf meinen hohen Absätzen herum und mein Rock wirbelt dabei um meine Beine. Dann blicke ich sie direkt an.

„Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt? Warum hast du mich nicht gewarnt, wie weit die Krankheit schon fortgeschritten war?” frage ich, während mich die Emotionen überrollen und mir die Worte im Hals stecken bleiben.

Papa steht direkt hinter ihr und legt seine Hände auf ihre Schultern, um sie an sich zu ziehen.  Immer noch der Beschützer. Er weiß genau, dass meine Worte von Schmerz und Frustration geprägt sind und dass ich die Menschen, die mir am nächsten stehen, jetzt nur verletzen will. Ich weiß das auch. Aber ich scheine das alles nicht bremsen zu können.

„Ich hätte schon früher herkommen können! Was wäre, wenn er gestorben wäre, bevor ich eintraf?” schreie ich und meine Stimme überschlägt sich dabei.

„Alles ging so schnell, Kleines”, erwidert Dad leise. „Vor ein paar Tagen wurde es schlagartig schlimmer. Der Arzt meinte, der Krebs habe sich schneller ausgebreitet, als sie erwartet hatten. Wir hätten dir das doch nicht verschwiegen, wenn wir das eher gewusst hätten. Großvater hat so hart gekämpft. Wir dachten, dass es ihm in ein paar Tagen wenigstens wieder gut genug gehen würde, um nach Hause zurückzukehren, aber...”

Plötzlich erkenne ich, wie seine Augen trüb und traurig werden und Mom ein Schluchzen unterdrückt.

Ich weiß in diesem Moment, dass ich unvernünftig bin. Solch starke Emotionen machen das mit einem. Mom ist Ärztin und Dad ist Chirurg, es muss sie fertig machen zu wissen, dass sie trotz all ihres Wissens und ihrer Erfahrung nichts tun können, um ihm zu helfen. Keiner kann das.

Also gehe ich auf sie zu und erwidere ihre Umarmung. Ich halte mich fest, küsse die Wange meiner Mutter und lege meinen Kopf unter Papas Kinn. 

„Es tut mir leid. Ich hatte nicht erwartet, dass er so aussieht”, stottere ich und wische mir die Tränen weg. „Ich weiß, dass ihr mir nicht absichtlich etwas vorenthalten wolltet. Ich muss nur ... für einen Moment allein sein, okay? Ich komme gleich wieder, ich verspreche es.”

Nun drehe ich mich um und gehe den Flur entlang. Ich muss von hier verschwinden! Ich darf einfach nicht jemand sein, der auf dem Krankenhausflur in Tränen ausbricht.

***

Außerhalb des Krankenhauses atme ich in der New Yorker Luft tief durch. Ich habe New York im Herbst schon immer geliebt. Normalerweise geben mir die frische Luft und die bernsteinfarbenen Blätter das Gefühl, lebendig und jung zu sein. Jetzt aber ist mir bewusst, dass der Herbst nichts Lebendiges an sich hat. Im Herbst geht es vielmehr um das Ableben.

Mein Großvater ist mein einziger Großelternteil. Meine Oma, also seine Frau, verstarb, als ich noch ein Baby war. Sie hatten nur ein gemeinsames Kind - meine Mutter. Und auch meine Eltern hatten nur ein Kind - mich. Die Eltern meines Vaters, nun, sie waren irgendwo da draußen, aber sie waren nie ein Teil meines Lebens geworden und sie haben sich auch nie dafür interessiert, mich kennenzulernen. Nach allem, was man hört, waren die Eltern meines Vaters sehr religiös und hatten ihn verstoßen, als Mom mit mir schwanger wurde, noch bevor sie heirateten. Wie lächerlich, dass sie ihren Sohn deshalb ablehnten. 

Moms Eltern reagierten anders und nahmen die Nachricht von der Schwangerschaft mit Freude auf. 

An meine Oma kann ich mich nicht mehr wirklich erinnern, aber mein Opa war eine wichtige Stütze in meinem Leben. Als ich aufwuchs, habe ich viel Zeit mit ihm verbracht. Er meinte immer, er sähe meine Oma in mir. Ich habe ihre Augen und ihr Lächeln, sagte er. Ja, in mancher Hinsicht sehe ich wie Mama und Papa aus, aber was meine Persönlichkeit und meinen Sinn für Humor angeht, trage ich meine Oma in mir.

Mein Opa hat immer auf mich aufgepasst, wenn meine Eltern arbeiten mussten. Er brachte mich jeden Tag zur Schule und holte mich mit einem Picknickkorb wieder ab. Wir gingen in den Park, spazierten, beobachteten die Vögel und aßen dabei. Er erzählte mir Geschichten über die Zeit, als meine Mutter noch klein war und über meine Oma. Wenn in der Schule etwas Gutes oder Schlechtes passierte, war er der Erste, dem ich es erzählte. Manchmal war er auch der Einzige. Er war ein wirklich guter Geheimnisverwahrer.

Jetzt überquere ich die Straße und betrete den Park auf der anderen Seite des Krankenhauses. Ich war noch nie in diesem Park, aber in allen Parks fühle ich mich sicher aufgehoben und entspannt. Am Parkeingang gibt es einen Kaffeekiosk und natürlich kann ich der Verlockung des frischen Kaffees, dessen Duft in der Luft liegt, nicht widerstehen.

„Einen großen Americano, bitte”, sage ich zu der Frau hinter dem Wagen.

Sie schenkt mir den Kaffee ein, doch bevor ich ihn bezahlen kann, streckt mir eine Hand einen Zwanzig-Dollar-Schein entgegen.

„Für mich das Gleiche”, sagt eine tiefe Stimme. „Ich bezahle für beide.”

Ich drehe mich um und starre den Mann hinter mir an. Ich kann es echt nicht gebrauchen, dass mich irgendein Arschloch anbaggert, während mein Opa im Krankenhaus gegenüber stirbt.

„Ich will nicht, dass...”

Mit einem Mal fehlen mir die Worte, da ich plötzlich in die schönsten braunen Augen blicke, die ich je gesehen habe. Und ich schaue nach oben, weil er so groß ist. Ich bin durchschnittlich groß gewachsen, aber dieser Mann ist ein Riese - breite Schultern, eine markante Kieferpartie und ein warmes Lächeln, das seltsame Dinge mit meinem Unterleib anstellt.

„Möchtest du einen Kaffee?”, fragt er, nachdenklich dreinschauend. „Ich sehe schon, du bist der Typ Frau, der niemanden braucht. Oder du denkst, du bräuchtest niemanden. Aber ich habe gesehen, wie du aus dem Krankenhaus gekommen bist, und ich kann erkennen, dass du einen schlechten Tag hast. Du siehst traurig aus. Wie wäre es also, wenn dein Kaffee meine gute Tat des Tages würde?” 

„Ich...“

Die Frau am Wagen reicht ihm seinen Kaffee und das Wechselgeld, während mir die Worte fehlen.

„Ich habe gerade Mittagspause, hast du Lust, die Bank da drüben mit mir zu teilen?”, fragt er und deutet hinter mich. 

„Ich bin hierher gekommen, um allein zu sein”, erwidere ich hastig. 

Ich brauche jetzt niemanden, den ich nicht einmal kenne, der auch noch denkt, er könne mich irgendwie beschützen. Ich muss nicht beschützt werden. Schon gar nicht von einem großen, gutaussehenden Mann mit obsidianfarbenen Augen und einem Körper, der geradezu für die Sünde gemacht ist.

Also drehe ich mich um und gehe weg.

„Warte...”

Seine Hand berührt plötzlich meine Schulter und ich breche unter seiner Wärme fast zusammen. Es fühlt sich so lebendig an. Ich muss unbedingt weg von ihm, damit ich mich wieder zusammenreißen kann!

Ich will ihm gerade eine Standpauke halten, als ich mich erneut umdrehe und sehe, dass er mir eine Karte entgegenhält.

„Falls du deine Meinung änderst, ruf mich an!”

Ich nehme die Karte, schaue sie an und lasse sie zu Boden flattern. „Das werde ich nicht.”

Er lächelt unbeeindruckt von meiner Unhöflichkeit. Dann dreht er sich um und geht weg.

Als ich mir sicher bin, dass er sich nicht umdreht und mich sieht, bücke ich mich und hebe die Karte auf. Denn obwohl ich mich darüber aufrege, dass mein Opa nicht mehr lange bei uns sein wird, hat mich dieser große, gutaussehende Fremde auf eine Weise berührt, wie es noch kein Mann zuvor getan hat. 

Ich kann es nicht verstehen. Ich fühle diese wilde Anziehungskraft nicht, weil ich es will. Es ist einfach... da.

Ich atme tief durch und blicke auf die Karte hinunter. Ich muss nur seinen Namen wissen. Aber ich werde ihn nicht anrufen!


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