untitled-Newsletter 02

Apr 01, 2024 9:55 am

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Hallo wehrte Leserschaft,


und willkommen zur zweiten Ausgabe des untitled-Newsletters! Bei meiner Arbeit wirft unsere Messe ihre Schatten voraus und fordert von mir mehr Aufmerksamkeit ein; zum Ausgleich arbeite ich an zwei Zines, eines davon untitled05, welches nach der Text-lastigen Ausgabe 4 (Danke für das schöne Reel, @Jenni!) nun graphischer wird – und wahrscheinlich zum ersten Mal außerhalb der Zine-Tauschaktionen von @zines.cool/@zinetausch.cool erscheint. Interesse? Antworte einfach auf diese E-Mail.


Und hier nun wieder die Fragmente aus dem Spannungsfeld von Design, Philosophie, Technologie, Umwelt(schutz), Urbanismus/Architektur und darüber hinaus, die mich diesen Monat beschäftigt haben:


Fragmente

Auch schon mal von dem Gerücht gehört, dass Peter Lustig, der Moderator von Löwenzahn, Kinder hasst? Ich schon; konnte und wollte es aber nie wirklich glauben – und, siehe da, es stimmt auch nicht! Es ist ein Gerücht, ein verdrehtes Zitat, das die BILD-Zeitung in die Welt gesetzt hat, weil Peter Lustig sie einmal kritisierte.


Mats Schönauer, der in seinem Watch-Blog Topf voll Gold den Boulevard- und Klatsch-Geschichten auf den Grund geht, ging dem Gerücht nach und sprach mit dem Journalisten Kai Biermann, der einst Peter Lustig interviewte und auf dessen Artikel die ganze Geschichte beruht: Topf voll Gold: Peter Lustig war KEIN Kinderhasser (YouTube, 12:53 Minuten).


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Ende letztens und Anfang diesen Monats sorgte die Suche nach den ehemaligen RAF-Terroristen für Aufregung – und eine mutmaßliche Sichtung legte sogar den Wuppertaler Hauptbahnhof lahm.


Die Geschichte der RAF gehört zu den Themen, wie weite Teile der deutschen Geschichte zwischen 1945 und 1989, die lange große Wissenslücken für mich waren – und von denen ich mich nicht erinnere, dass sie je Thema im Geschichtsunterricht waren. Bei Deutschlandfunk Kultur gab es letztes Jahr ein kurzes Interview mit der Historikerin und Terrorismusforscherin Petra Terhoeven zum Stichtag der Auflösung der RAF, das einen guten Überblick über deren Geschichte gibt. Im Interview-Podcast von Übermedien spricht Petra Terhoeven nochmals ausführlicher über die Geschichte der RAF und insbesondere die Rolle der Medien damals und heute – mein Hör-Tipp zum Thema!


Noch etwas tiefer, besonders zur Geschichte der 3. Generation der RAF, geht die kurze Podcast-Staffel Legion: Most Wanted vom Ende letztens Jahres. Die erste Stafel des Podcasts beschäftigte sich mit dem Hacker-Kollektiv Anonymous; nach der Veröffentlichung erhielten die Journalisten des Podcasts einen Tipp aus der Hörerschaft, die sie auf die Spur und, im Laufe der Recherchen, sehr Nahe an eine der Terrorist:innen der RAF brachte.


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In Bayern hat die CSU nun ein Verbot von Gender-gerechter Sprache verabschiedet. Das habe ich zunächst nur zur Kenntnis genommen – man muss ja nicht über jedes Stöckchen springen, was hingeworfen wird –, aber im Gespräch mit meinem Freund Thomas wurde mir erst die Tragweite dieser gesetzlichen Regelung bewusst: Wir haben es hier mit einem richtigen Sprach-Verbot zu tun, dass sogar dienstrechtlich geahndet werden kann – im Gegensatz zur falschen Rechtschreibung, die von der CSU gerne als Vergleich angeführt wird. Man mag von Gender-gerechter Sprache bzw. ›gendern‹ halten, was man möchte, aber ein solche sprachliche Regelung widerspricht einer liberalen Demokratie und ist gefährlich autokratisch.


Heidegger schrieb in Sein und Zeit: »Seiend ist alles, wovon wir reden, was wir meinen, wozu wir uns so und so verhalten, seiend ist auch, was und wie wir selbst sind.« [19. Ausgabe, 2006. S. 6 f.] Das Zitat zeigt die Macht der Sprache: Was in der Sprache benennbar ist, exisitert, was außerhalb liegt, existiert nicht; durch Einschluss und Ausschluss können Dinge und Phänomene in Existenz gebracht oder ihrer beraubt werden. Und aus dieser Perspektive erhält das gesetzlich vorgeschriebene Verbot bestimmter Ausdrucksweisen für Behörden und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Universitäten ein deutlich schwereres Gewicht.

Oder, wie die AWO im Bericht von BR24 zitiert wird: »weil […] bekannt ist, dass Sprache Denkmuster prägt und Stereotype aufbrechen kann.«


PS: Bei Change.org gibt es eine Petition gegen das Gesetz.


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Wo wir beim Thema ›Gender‹ sind: Der Journalist und Philosoph Gert Scobel hat ein großartiges Stück zum Thema gemacht, mit dem Schwerpunkt Transgender und Transidentität: Was die trans*-Debatte über unsere Gesellschaft aussagt (YouTube, 21:17 Minuten).


Wenn ich nur einen Link aus diesem Newsletter weiter empfehlen sollte, oder, wenn du dir nur einen Link aus diesem Newsletter ansiehst, dann diesen! In der Hoffnung, dass wir Menschen uns damit ein Stück besser verstehen und ein Stück offener und sensibler miteinander umgehen.


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Im letzten Newsletter klang das Thema feministische Architektur bereits an, dort als ein möglicher Ansatzpunkt gegen Hostile Architecture bzw. Hostile Design. Umso mehr freute ich mich, dass zum feministischem Kampftag aka. »Weltfrauentag« am 08. März zwei Kommilitoninnen aus meinem Master-Studiengang genau zu dem Thema eine Ausstellung unter dem Titel »Queering The City« präsentierten. Noch mehr freue ich mich darüber, dass sie die gesamten Ausstellungsinhalte auf ihrer Website online haben, inklusive Quellenangaben zum Vertiefen!


Während der Ausstellung wurden auf einer Karte von Wuppertal Angst- und Schutzräume gesammelt, sowie Anekdoten dazu. Diese Geschichten sollen einfließen in zwei Stadtspaziergänge durch Wuppertal-Elberfeld, am 21. April. Dabei sollen die bisherigen Macht- und Planungsstrukturen aufgezeigt und Ansätze für eine geschlechtergerechtere Stadt präsentiert werden – denn von einer geschlechtergerechten Stadt profitieren wirklich alle. Alle Details zum Stadtspaziergang auf der Website zum Projekt oder auf Instagram.


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Vor ein paar Wochen bin ich wieder über einen Vortrag gestoßen, den ich für mich und meine Haltung zum (Interface-)Design prägend und auch nach 10 Jahren noch für fundamental wichtig halte – nicht nur für Interface-Designer: The Best Interface Is No Interface (2013) (YouTube, 31:54) und The Best Interface Is No Interface (2015) (YouTube, 25:49) (Die Vorträge von 2013 und 2015 sind ähnlich, aber nicht identisch und beide sehenswert!)


Die Prämisse ließe sich auf die Floskel herunter brechen: »Wenn du einen Hammer hast, sieht jedes Problem nach einem Nagel aus.« Es ist vordergründig ein Appell an Interface-Designer aus dem Screen-Denken von Apps heraus zu kommen, aber es ist auch ein Appell an alle Design-Disziplinen, Probleme holistisch und in ihrem Kontext zu sehen und gute Lösungen zu finden!

Eine App kann eine Lösung sein, muss es aber nicht. Interface-Design ist mehr als nur Screens auf einem Bildschirm und User-Experience-Design ist weit mehr als nur die Interaktion in einer App.


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Durch meinen derzeitigen Arbeitsschwerpunkt bin ich auf der Suche nach Schnittstellen und Übertragung aus den Bereichen Stadt und Online-Communities: Wie sehen gute, funktionierende Communities aus? Wie sehen gute, funktionierende Städte aus? Wie können Plattformen für Online-Communities toxisches Verhalten vermeiden? Was kann man aus Städtebau und Architektur in den digitalen Raum übertragen? Eine wertvolle Ressource dabei ist New_ Public, die sich auf Erforschung von guten (öffentlichen) Räume im digitalen Raum spezialisiert haben – jedoch mit einem starken US-amerikanischen Fokus. Ihr Newsletter hatte diesen Monat den Titel: Navigating The Digital Landscape Of A Real City; darin stellten sie historische Ansätze für digitale Zwillinge und lokale Communities in Städten vor – ein spannendes Thema, aus dem ich nichts direkt für meine Arbeit übernehmen kann, das mich aber durchaus inspiriert. Daraus drei Zitate:


But online, I would be hard-pressed to find the same concentration of local people, discussion, and culture that this humble cafe is able to create. The painful reality is that the internet somehow makes it easier to find friends who live halfway across the world than to connect with the people who live down the street.


This orientation reinforces the idea that the city itself is something to be consumed, rather than co-created among its residents. There’s a stark difference between this “way of being” and that of the Community Memory Project or BEV, which were designed to facilitate both online and offline engagement with the same group of people over time within the environment that they shared.


[…] but given that most social networks never prioritize place-based interactions, it seems that we’re left with little idea of what our cities are for but to serve us.


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Auf meinem Zettel stehen noch ein paar weitere Links, die ich gerne mit euch teilen möchte, aber, da der Newsletter schon wieder lang genug ist und ich mir vorgenommen habe, ihn etwas kürzer zu fassen, nur in Kurzform:



Musik zum Ausgang

Beim Umherstreifen auf der Suche nach neuer Musik stolperte ich über das Stück 2/3 von Enduser (Bandcamp / Spotify) – einem harten Stück Breakcore/Drum & Bass, mit gesampelten Vocals, die mir äußerst bekannt vorkamen. Dank der Website WhoSampled weiß ich jetzt auch woher: Aus Sleeping Satellite von Tasmin Archer (Spotify). Und als ich das Stück hörte, waren auf einmal viele Erinnerungen wieder da, von langen Fahrten im Auto meiner Eltern und WDR2 im Hintergrund. Und deshalb landen auch beide Songs auf der Spotify-Playlist zum Newsletter.


Nachwort

Wie schnell doch ein Monat vergeht und wie viel ich in dieser Zeit wieder angesammelt, gelesen, gesehen und gelernt habe. Das wird nächsten Monat wahrscheinlich arbeitsbedingt geringer ausfallen – vielleicht aber auch nicht, wir werden sehen. Ich bleibe neugierig! Und deshalb bin ich auch neugierig: Hast du im letzten Monat etwas interessantes gelesen, gesehen oder gehört?


Beste Grüße

Arne

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